Zusammenfassung
Hintergrund
Hörbehinderungen können zu einer verminderten Lebensqualität führen und somit einen Vulnerabilitätsfaktor für psychische Störungen darstellen.
Ziel der Arbeit
Diese Studie stellt die erste grundlegende Analyse subjektiver Lebensqualität und depressiver Symptome bei Hörbehinderung in Deutschland aus psychiatrischer Perspektive dar.
Material und Methoden
Die Patientengruppe umfasste 30 hörbehinderte Probanden (27 Frauen, 3 Männer), die eine aktuelle oder vergangene psychische Erkrankung und/oder eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung vorwiesen (Alter: Mittelwert [M] = 49,67 Jahre, Standardabweichung [SD] = 13,54). Die Kontrollgruppe bestand aus 22 hörbehinderten Probanden (16 Frauen, 6 Männer), die weder eine psychische Störung noch eine dementsprechende Behandlung angaben (Alter M = 52,41 Jahre, SD = 17,30). Neben soziodemografischen Daten wurden der Beginn/Grad der Hörbehinderung sowie die Versorgung mit Hörsystemen erfasst. Testdiagnostisch wurden die subjektiv wahrgenommene Funktionsbeeinträchtigung (Sheehan Disability Scale [SDS]) und die gesundheitsbezogene Lebensqualität (Fragebogen zum Gesundheitszustand, SF-36) ermittelt. Zudem erfolgte eine Erhebung depressiver Symptome (Beck-Depressions-Inventar, BDI-II).
Ergebnisse
Die Gruppen unterschieden sich nicht signifikant bzgl. Alter, Geschlecht und Intelligenz. Teilnehmer der Patientengruppe wiesen eine signifikant höhere subjektive Beeinträchtigung, niedrigere Lebensqualität und stärkere depressive Symptome auf. Als potenzielle Vulnerabilitätsfaktoren auf seelische Gesundheit innerhalb dieser Gruppe erscheinen insbesondere das Ausmaß der Invasivität der Hörhilfe (d. h. Cochlea-Implantat) sowie Entwicklungszeitpunkt der Hörminderung (postlingual) plausibel.
Schlussfolgerung
Die Ergebnisse dieser Studie bedeuten für den Behandler, dass dieser neben einer qualitativ hochwertigen akustischen Versorgung die psychosoziale Behandlungsbedürftigkeit der psychischen Folgen, bedingt durch den Verlust der Lebensqualität, kontinuierlich prüfen sollte. Die Entwicklung eines spezifischen psychotherapeutischen Angebots für Menschen mit einer Hörminderung bedarf zusätzlicher Erforschung von Schutz- und Vulnerabilitätsfaktoren, die für die Entwicklung psychischer Störungen bei Hörminderung von Bedeutung sein können.
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